Garuda

Die frühen asiatischen Völker hielten Garuda für die Sonne selbst. Sie glaubten, er sei ein Vogel, der am Himmel fliegt. Heute repräsentiert er den gesamten Himmel, die Heimat der Sterne, die Sonne, den Mond, die Götter und Vögel. Auf Abbildungen wird er als halb Greifvogel, halb Mensch dargestellt.

Sein symbolischer Gegensatz sind die erdgebundenen Schlagen, die Nagas. Sie verkörpern das lebensspendende Wasser und die Erde. Garuda und die Nagas sind die Herrscher von Himmel und Erde, sie repräsentieren Gegensätze wie Tag und Nacht, weiblich und männlich.

Wie bei den meisten Greifvögeln wie Falken, Adlern und Habichten liegt es auch in der Natur des Garuda, Schlangen zu jagen und zu fressen. In Asien kommen viele Greifvogelarten vor, die sich auf die Jagd von Schlagen spezialisiert haben. Garuda sagt man nach, er sei gegen das Gift der Schlangen immun. Auch dafür wird er verehrt. Die Sonne des Garuda lässt außerdem das Wasser der Nagas verdampfen. Doch damit Leben gedeiht, braucht es beides: Die Wärme und das Licht des Garuda und das Wasser und die Erde der Nagas.

In der asiatischen Mythologie nimmt Garuda zugleich die Rolle eines Boten ein, der den Menschen Nachrichten und Anweisungen der Götter überbringt. In vielen asiatischen Ländern wie beispielsweise Thailand und Indonesien schmückt der Garuda zudem das Hoheitszeichen oder Amtssiegel von Regierungsbehörden.

In der thailändischen Mythologie ist Garuda gewöhnlich kein einsamer Vogel. In buddhistischen Legenden sind Garudas vielmehr Könige großer Vögel, die in Schwärmen auftreten. Sie leben auf dornigen Bäumen in einem Wald namens Garutmatvan, der sich an den Hängen des Berges Meru befindet.


Falknerei

Die Geschichte

Vor Urzeiten besaß der Schöpfergott und Vater der Kreaturen Kashyapa, der "alte Schildkrötenmann", zwei Ehefrauen: Vinata, den Himmel, und Kadru, die Erde. Kadru gebar eine Vielzahl von Eiern, aus denen die verschiedensten Arten von Nagas schlüpften. Vinata jedoch legte nur drei Eier.

Weil Vinatas Eier nicht schlüpfen wollten, wurde sie eifersüchtig auf Kadru und ihre zahlreichen Nachkommen. Daher zerbrach sie ihr erstes Ei. Das Wesen im Ei hatte jedoch noch keine Gestalt angenommen: Es entstand der Blitz. Auch das zweite Ei beschädigte sie: Es enthielt einen strahlenden Jüngling. Da er ebenfalls eine Frühgeburt war, besaß er noch keine Beine. Es war Aruna, die Morgendämmerung, der Wagenlenker des Sonnengottes Surya. Arun verfluchte seine Mutter für seine Behinderung und machte sie dadurch zur Sklavin ihrer Rivalin, der Schlangenmutter Kadru.

Voller Reue brütete Vinata das letzte Ei aus. Daraus schlüpfte der mächtige Garuda. Unverzüglich verlangte er von den Nagas, seine Mutter freizulassen. Die Nagas forderten jedoch als Lösegeld das Unsterblichkeitselixier Amrita. In einem erbitterten Kampf stahl Garuda das Elixier von den Göttern. Er konnte seine Mutter befreien, den Nagas jedoch nicht verzeihen. Daraus erklärt sich die ewige Feindschaft zwischen den Nagas und dem Garuda.

Anschließend verbündete sich der Gott Vishnu mit Garuda, da er den Nagas die Unsterblichkeit durch das Elixier nicht gönnte. Zusammen konnten sie es zurückgewinnen. Vishnu, der Gott der Erhaltung, war von den Abenteuern des Sonnenvogels so beeindruckt, dass er Garuda unsterblich und zu seinem Reittier machte. Garudas Sieg machte ihn zum ewigen Feind der Nagas und verlieh ihm die Rolle des Retters, die er noch oft zu erfüllen wusste.

Der spirituelle Gegensatz von Greifvogel und Schlange ist auch bei uns im Westen von den alten Sumerern bekannt und zeigt sich z.B. in Nietzsches "Also sprach Zarathustra" oder im Wappen Mexikos.